Gut leben in NRW
Das Projekt
Das Projekt “Gut leben in NRW – Leben, Wohnen und Arbeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf” wurde vom lvkm nrw vor dem Hintergrund des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und den damit verbundenen Entwicklungen und Veränderungen in der Eingliederungshilfe initiiert. Menschen mit einem komplexen Unterstützungsbedarf sowie deren Familien sind bei der Entscheidung, wo und wie sie leben möchten, immer noch auf ein überwiegend stationäres Unterstützungsangebot angewiesen. Mit dem Projekt “Gut leben in NRW” hat der lvkm nrw die Umstellung bzw. Entwicklung der Eingliederungshilfe von einer einrichtungszentrierten zu einer personenzentrierten Ausrichtung unterstützt. Insbesondere Leistungserbringer stehen vor der Herausforderung, ihre stationären Angebote zu differenzieren und zu ambulanten, personenzentrierten Leistungen weiterzuentwickeln.
In der neuen Welt der personenzentrierten Leistungsgestaltung der Eingliederungshilfe geht es darum, zunächst die Wünsche und Vorstellungen des behinderten Menschen zu erfassen. Die Vorstellungen müssen in Einklang mit den Ressourcen im persönlichen Umfeld und den möglichen Leistungen der Sozialleistungsträger sowie den angebotenen und erreichbaren Betreuungs- und Dienstleistungen vor Ort gebracht werden. Denn gerade im Wohnbereich, bei der Alltagsgestaltung und bei der Teilhabe am Arbeitsleben waren die Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten in der Vergangenheit eingeschränkt und damit überschaubar. Das Projekt richtete sich deshalb vorrangig an Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf und verfolgte das Ziel, den Weiterentwicklungsprozess zu personenzentrierten Leistungen zu begleiten.
Das Projekt “Gut leben in NRW” wurde in der Zeit von Mai 2014 bis April 2017 durchgeführt. Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW.
Zielgruppen und Ziele des Projektes
Das Projekt “Gut leben in NRW” hatte eine duale Ausrichtung. Es richtete sich einerseits an Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf sowie deren Angehörige und andererseits an Träger von Einrichtungen und Diensten für Menschen mit Behinderung. Für die einzelnen Zielgruppe sollten die folgenden Ziele erreicht werden:
Menschen mit Behinderung sollten u. a.
- den nötigen Raum sowie die Möglichkeit erhalten, eigene Zukunftsvorstellungen zu entwickeln,
- mehr Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten haben und
- sicher sein können, dass die Versorgung im umfassenden Sinne unter Ausnutzung aller verfügbaren Ressourcen gewährleistet ist.
Die Angehörigen sollten
- passende Unterstützungsleistungen für ihr Familienmitglied in ihrer Nähe finden sowie
- Vertrauen in Eingliederungsleistungen Leistungsformen fassen können.
Den verschiedenen Leistungsanbietern sollte die Möglichkeit geboten werden,
- passgenaue Leistungsangebote zu entwickeln und
- neue Leistungsformen zu erproben.
Die Teilhabegruppen
Vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Projektes wurden an 10 Standorten in Nordrhein-Westfalen für 24 Monate sogenannte Teilhabegruppen gebildet. In den Gruppen sollten durch Beratungssettings für Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf z. B. Unterstützungsangebote zur Wohn-, Arbeits- und Lebenssituation initiiert und umgesetzt werden. In den Teilhabegruppen zusammen gekommen sind
- (junge) Erwachsene mit Behinderung, die einen Veränderungsprozess ihrer Wohn- und/oder Lebenssituation anstoßen oder weiter verfolgen wollten;
- Personen aus dem nahen Umfeld (Familie, Freunde etc.);
- MitarbeiterInnen von Leistungsanbietern, die diesen Prozess begleiten und bestehende Leistungsformen weiterentwickeln oder neue Formen der Leistungserbringung erproben wollten.
Die inhaltliche Gestaltung der Teilhabegruppen richtete sich nach den Interessen der Teilnehmenden und konnte neben der (gegenseitigen) Beratung, zum Beispiel die Initiierung von Gesprächskreisen sowie Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichsten Themen oder sogar den Aufbau eines neuen Wohn-, Arbeits- oder Freizeitprojektes beinhalten. Durch die regelmäßigen Treffen sollten die Teilnehmenden die Möglichkeit bekommen, ihre Interessen zu bearbeiten bzw. diese umzusetzen. Die Auseinandersetzung mit den persönlichen Zielen in einer moderierten Teilhabegruppe – das heißt gemeinsam mit ähnlich Betroffenen, Angehörigen und Fachkräften – hat dazu beitragen, sich von unrealistischen Vorstellungen zu verabschieden oder neue, bisher nicht gedachte Perspektiven zu entwickeln.
An den folgenden 10 Standorten haben sich im Rahmen des Projektes “Gut leben in NRW” regelmäßig Teilhabegruppen getroffen:
Standort | Themenschwerpunkt(e) der Teilhabegruppe |
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Aachen | Bildung und Arbeit, insbesondere für Menschen mit einer psychischen Erkrankung | |
Beckum (Kreis Warendorf) | Wohnen und Ablösung vom Elternhaus | |
Bielefeld | Arbeit, Freizeitgestaltung und Interessenvertretung | |
Bochum | Wohnen und Ablösung vom Elternhaus | |
Köln | Wohnen und Freizeit | |
Krefeld | Freizeit und Interessenvertretung | |
Sieger- und Sauerland | Interessenvertretung | |
Kreis Soest | Freizeit, Barrierefreiheit, Selbstbehauptung und Teilhabeleistungen | |
Oberhausen | Arbeit | |
Velbert | Barrierefreiheit und Interessenvertretung |
Die Evaluationsstudie des Projektes
Das Projekt “Gut leben in NRW” wurde von der Fachhochschule Bielefeld (Fachbereich Sozialwesen) unter Leitung von Prof. Dr. Gudrun Dobslaw wissenschaftlich begleitet. Das Projekt verfolgte das Ziel, Beratungssettings zu erproben, die es Menschen mit Behinderung ermöglichen, selbstbewusst eigene Zukunftsvorstellungen zu entwickeln. Dabei sollten unterschiedliche Kompetenzen gebündelt werden: Betroffene, Angehörige, Freunde, Nachbarn, Anbieter sozialer Dienstleistungen und weitere Personengruppen des sozialen Umfeldes sollten vor dem Hintergrund ihres spezifischen Wissens und ihrer Erfahrungen eine kompetente, dialogisch und personenzentriert angelegte Beratung und Unterstützung schwerer behinderter Menschen gewährleisten. Die Evaluation des Modellprojekts “Gut leben in NRW” bot die Möglichkeit, vertiefte Kenntnisse über hilfreiche Arrangements, Settings und Kompetenzen zu gewinnen, die den Verselbständigungs- und Selbstbestimmungsprozess von Menschen mit Behinderung unterstützen. Das Forschungsinteresse bezog sich dabei schwerpunktmäßig auf den Prozess der Umsetzung von Beratung und Assistenz in den Teilhabegruppen mit Blick auf die Teilhabechancen der betroffenen Person am gesellschaftlichen Leben.
Projektdokumentation
Nachfolgend finden Sie Veröffentlichungen, die den Verlauf und die Ergebnisse des Modellprojektes “Gut leben in NRW – Leben, Wohnen und Arbeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf” dokumentieren.
Projektzeitschrift
Während der Projektlaufzeit sind 4 Ausgaben der Projektzeitschrift “So oder So” entstanden, die über die Aktivitäten der Teilhabegruppen berichten. Die Zeitschrift kann auch in Leichter Sprache gelesen werden. Die Ausgaben der Projektzeitschrift können bei Interesse in der Geschäftstelle des lvkm nrw angefordert werden (nur solange der Vorrat reicht).
Veranstaltungsdokumentation
Im Rahmen des Projektes “Gut leben in NRW” wurden 3 Fachtagungen zu den Themenbereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf sowie eine Abschlusstagung veranstaltet. Durch Klicken auf den Veranstaltungstitel gelangen Sie zur jeweiligen Dokumentation.
- Fachtagung “Gut leben in NRW – Leben und Wohnen für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf” am 27. Februar 2015 in Dortmund
- Fachtagung “Gut leben in NRW – Leben und Arbeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf” am 08. Mai 2015 in Oberhausen
- Fachtagung “Gut leben in NRW – Freizeit im Leben von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf” am 29. September 2015 in Dortmund
- Fachtagung “Gestaltung partizipativer Prozesse” am 27./28. Januar 2017 in Bielefeld
“Gut leben in NRW ” bei den Inklusionstagen 2016
Das Projekt “Gut leben in NRW” wurde im Oktober 2016 auf den Inklusionstagen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Berlin als gutes Beispiel zum Thema “Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf” vorgestellt. In diesem Zusammenhang ist der nachfolgende Kurzfilm über das Projekt entstanden.
Die vollständige Dokumentation zu den Inklusionstagen 2016 finden Sie auf den Internetseiten des BMAS: Zur Dokumentation der Inklusionstage 2016.
Publikationen
Die Broschüre “Leben wagen. Menschen mit Behinderung suchen ihren Weg jenseits der eingefahrenen Gleise” berichtet über die Erfahrungen der Projektteilnehmenden und bietet Praxisanleitungen für eine partizipativ ausgerichtete Arbeit mit Gruppen. Eine Leseprobe finden Sie hier. Die Broschüre ist im Verlag selbstbestimmtes leben erschienen. Zur Bestellung gelangen Sie hier.
Die Forschungsergebnisse der begleitenden Evaluationsstudie sind in folgendem Sammelband festgehalten:
Gudrun Dobslaw (Hrsg.) (2018). Partizipation – Teilhabe – Mitgestaltung: Interdisziplinäre Zugänge. Opladen, Berlin und Toronto: Budrich UniPress.
Der Sammelband kann über den Verlag oder Buchhandel bezogen werden.